January revolution - change into an equal future
forward my egypt
Dass die Medien meist einseitig berichten, wissen die meisten Menschen. Dass sich dies sowohl auf das Bild eines gesamten Ereignisses, als auch auf die Geschichtsschreibung auswirkt, wohl auch. Auch am Beispiel des Arabischen Frühlings in Ägypten zeigt sich: Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Oder wie würden die Revolutionäre in Ägypten genannt werden, wenn sie den Sturz des „Mubarak-Regimes“ nicht überstanden hätten?
Eine Richterkommission hat im April 2011 in Ägypten den Ex-Staatschef Hosni Mubarak für den Tod von 846 Menschen während der Revolutionsunruhen mitverantwortlich gemacht. Der Westen begrüßte den Sieg der Revolutionäre über den „Diktator“ – und vergaß dabei gerne, dass er ganze 20 Jahre mit dem Verurteilten zusammengearbeitet und ihn als Garant für Stabilität dargestellt hatte. Auch die Vergangenheit der Gewinner der Revolution wird gerne außen vor gelassen. So wird kaum darüber berichtet, dass die Muslimbrüder, die die ersten freien ägyptischen Wahlen nach der Januar-Revolution 2011 gewannen, den damaligen Präsidenten Muhammad Anwar as-Sadat 1981 töteten.
Wandel. So lautete die Botschaft auf den Bannern und Parolen der Demonstranten während der Revolution. Geändert haben sich jedoch nur die Gesprächsthemen in den Cafés am Straßenrand und die Pressefreiheit, die erweitert wurde. Hierzulande wurde vor allem über die Eskalationen während der Proteste auf dem Tahrir-Platz berichtet. Die große Mehrzahl aller Demonstrationen, die Freitags abgehalten wurden, waren jedoch friedlich und offen für jeden. Dennoch fehlten und fehlen die Gesetze, die in Deutschland zum Schutz der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit im Grundgesetz verankert stehen. Demonstrationen finden in einem rechtsfreien Raum statt. Damit gibt es niemanden, der für Proteste verantwortlich ist und auch keinen Schutz der Demonstranten. Jeder schreibt, schreit und brüllt das heraus, was ihn bedrückt. Dadurch kann es schnell zu Konfrontationen zwischen einzelnen Gruppierungen kommen. Diese enden jedoch meistens schnell und ohne große Verluste.
Einer der größten Konflikte, den die Ägypter seit dem Sturz Mubaraks austragen müssen, ist der Kampf mit der eigenen Identität. Jeder Ägypter lernt schon als Neugeborenes, dass sein Land, Ägypten, das glorreichste, schönste und kulturreichste Plätzchen auf Erden ist. So suchte man über Dekaden hinweg die Fehler im Ausland und wälzte eigene Probleme ab. Jedes Fünklein Presse- und Gedankenfreiheit wurde schnell polizeilich gestoppt. Diese staatlich vorgeschriebene Prägung löst jetzt nach dem Wegbrechen der alten autoritären Strukturen bei vielen Ägyptern einen Konflikt aus. Viele beginnen nun, die Gefahr im eigenen Land wahrzunehmen: den Rückzug der Polizei, den durch die Revolution bedingten verlorenen Respekt seitens der Bevölkerung und die darauf folgende steigende Kriminalität. Doch das Leben geht weiter. Shoppen, Sport und Urlaub, zumeist im eigenen Land. Nur die Angst ist grösser als vorher.